Lagom till fika - pünktlich zur Kaffeezeit

1,5 Monate Skandinavien: Isländerpferde, Äxte & Herbstanfang

Hei alle sammen - Hallo zusammen,

nach unserem unfreiwilligen Werkstattbesuch ging es zum Glück nach provisorischer Abdichtung weiter - unser Händler in Deutschland kann sich schonmal freuen, wenn wir zur Reparatur im Winter auf der Matte stehen.. Ärgerlich, aber - that’s life!

Weiter geht es durch das Land der Wasserfälle und Tunnel (!). Wir fahren durch etliche davon, unter anderem den Lærdalstunnel, der mit seinen 24,5 Kilometern der längste Straßentunnel der Welt ist. Sie sind zum Teil schön beleuchtet in wechselnden Farben, sodass es auch schon zur Attraktion wird. Da es so viel geregnet hat, sind die mindestens genauso zahlreichen Wasserfälle noch beeindruckender als wahrscheinlich eh schon - und auch etwas beängstigend. Eine Nacht schlafen wir oberhalb eines Wasserfalls und haben etwas die Lautstärke überschätzt.. Aber das nehmen wir in Kauf, der Weg zum Fuß des Wasserfalls am nächsten Morgen macht es auf jeden Fall wett!

Überhaupt haben die Morgen im Camper etwas besonderes. Bei den jetzigen kälteren Temperaturen steht Flo oft schon auf und geht schonmal nach draußen. Ich krieche dann auch aus unseren Wolldecken, setze mir einen grünen Tee auf und erkunde die Umgebung. Optimalerweise sieht das dann so aus:

Während über Österreich der Schnee hereinbricht, zeigt auch unsere Temperaturanzeige abends 1°C an, weshalb wir froh über unsere Ganzjahresreifen und unserer Heizung sind :-) Unser nächstes Ziel ist der Dovrefjell Notionalpark - das Reich von Rentieren, Polarfüchsen und Moschusochsen. Letztere gibt es nur hier in Norwegen. Wir wandern zu einem Aussichtspunkt, von dem man geschützt Tiere beobachten kann und zusätzlich ein architektonisches Highlight ist. Fellnasen lassen sich leider keine blicken, wir haben aber leider auch laienhaft kein Fernglas dabei. Im Hintergrund ist der Berg Snøhetta (auf deutsch: Schneehaube) zu sehen, auf dessen Gipfel ganzjährig Schnee liegt und in diesen Tagen Neuschnee gefallen ist.

Wir begeben uns für die Nacht auf einen Stellplatz mit Blick auf eine Weide voller Islandpferde auf einem Reiterhof und genießen ein Buffet mit traditionellen Fleisch- und Fischgerichten. Zum Abschluss gibt es neben einem roten Wackelpudding mit Marshmallows eine Käseplatte - und natürlich darf der “Brunost”, der karamellisierte braune Käse nicht fehlen. Über den Geschmack kann man sich jetzt streiten. Flo sagt, im Wahl’schen Käseuniversum wäre wahrscheinlich kein Platz für ihn.

Wir lassen den Abend im gemütlichen Gastraum ausklingen und bekommen schonmal eine Inspiration wie die Ochsen in Nahaufnahme aussehen. Denn, wie das Schicksal es will, ist für den morgigen Moschus-Ausritt noch genau ein Pferd frei, den mir Flo großzügigerweise überlässt ;-)

Gesagt, getan, geht es am nächsten Morgen früh Richtung Stall, um die Pferde für den Tagesritt herzurichten. Ich bekomme “Athena”, die mir ungefähr bis zum Oberarm reicht und noch zu dösen scheint. Dass die kleinen Pferde nicht zu unterschätzen sind, merke ich direkt auf den ersten Metern, als es steil den Hang hinaufgeht und sie in zügigem Tempo über Steinfelder, Wurzeln und Gestrüpp stapfen. Meine anfängliche Sorge, dass Ponys ja doch mal stur und faul sein können, hat sich sofort in Luft aufgelöst, denn Athena ist kaum zu bremsen.

In einer Horde von ca. 50 Pferden und - außer einer Schweizerin und mir - ausschließlich Norwegern, darunter auch Männern, ziehen wir in Schritt, Tölt und Gallopp durch die Landschaft.

Währenddessen versucht Flo zu Fuß sein Glück, Moschusochsen zu sehen, die Trails sind sowohl für Pferde als auch für Menschen zugänglich. Allerdings sollte man einen Sicherheitsabstand von 200m zu den Tieren einhalten, da sie entgegen eines Fluchttiers bei Gefahr den Weg des Angriffs wählen würden. Flo wandelt außerdem auf dem alten Königsweg und zugleich “St. Olav” Pilgerweg, der von Oslo 643 km zum Nidaros-Dom in Trondheim führt.

Nachdem wir durch mooriges Gebiet gewatet sind, legen wir am frühen Nachmittag eine lange Pause ein. Wir binden die Pferde an die Bäume, packen unsere Vorräte aus und beobachten 2 Ochsen, die sich in sicherer Entfernung aufhalten. Bei den gemächlichen Bewegungen kann man sich nicht vorstellen, dass sie bis zu 60km/h schnell laufen können.

Für den Rückweg haben die Pferde Energie getankt und es geht noch flotter Richtung Heimat - an Müdigkeit ist nicht zu denken! Nach insgesamt fast 7 Stunden erreichen wir den Stall und wahrscheinlich bin ich kaputter als Athena.. Ein passender Vergleich ist ein Duracell-Häschen. Nach einem Belohnungsapfel kommen alle auf die Koppel, auf der sie die Nacht verbringen. Denn auch frostige Temperaturen machen ihnen nichts aus.

Am nächsten Tag brechen wir auf und besichtigen als nächstes Trondheim, unter anderem das Ziel des Pilgerwegs - den Nidarosdomen. Leider ist er schon geschlossen, aber auch von außen ist er beeindruckend!

Wir spazieren durch nette Gassen mit bunten Häusern, die uns an Bergen erinnern - nur mit weniger Menschen :-)

Eines späten Abends, als wir bereits einen wunderschönen Sonnenuntergang im Rückspiegel gesehen haben und ich später auf dem Beifahrersitz schon vor mich hindöse, bemerkt Flo einen grünen Schimmer am Himmel und…

…wir sehen unsere ersten Polarlichter.

Es zieht uns wieder nach Schweden, da für die nächsten Tage an der Ostküste über 20°C und Sonne angesagt sind. Somit verbringen wir bei Sundsvall 2 entspannte und wahrscheinlich letzten Strandtage dieses Jahres. Das Wasser ist schon ziemlich frisch und wir wärmen uns am Abend am Feuer auf.

Danach geht es weiter zu Gränsfors Bruks - eine der bekanntesten Axt-Schmieden weltweit. Dort gibt es ein Museum und wir können uns die Produktion anschauen.

Der Prozess ist wirklich interessant. Die Maschinen pumpen stetig auf und ab und die Schmiedewerkzeuge schlagen im Takt aufeinander, während der Schmied den erhitzten Stahl mit einer Zange rhythmisch unter einen anderen Teil der Maschine schiebt, um die gewünschte Form zu erhalten. Auch wenn die Maschine das händische Schlagen ersetzt, sieht es trotzdem sehr anstrengend und schweißtreibend aus.

Auch wenn der Schmied hier ziemlich grimmig dreinschaut, erfahren wir später, dass er Charlie heißt und ein super netter Kerl ist. Da so wenige Besucher da sind, nimmt er sich Zeit, uns einiges zu zeigen und zu erklären. Die Maschinen zum Beispiel sind zum Teil über 100 Jahre alt und laufen und laufen und laufen… Das kleine Betriebsgeheimnis ist, dass sie Salzwasser anstatt Öl während des Schmiedeprozesses nutzen, um die Schmiedewerkzeuge geschmeidig zu halten. Da Freitag ist, gesellen sich auch andere hinzu und laden uns auf eine Sandwich-Torte ein.

Zum Abschluss kann Flo seine bereits vorhandene Auswahl an Äxten um eine amerikanische Fellaxt erweitern und sie gleich vor Ort ausprobieren. Ja, wir haben nun 3 Äxte von klein bis groß an Bord - man kann ja nie wissen… Im Winter werden wir Zuhause unser Gewicht wohl an irgendeiner Stelle reduzieren müssen, es ist abzuwarten an welcher…

Weiter geht es die Ostküste hinauf und der bisherige Plan, zügig entlang der Küste in den Norden zu fahren, verzögert sich, da wir immer wieder in netten Städtchen, Nationalparks und Natur- und Kultur-Museen an jeder Ecke aufgehalten werden. Wir fahren über die Högakustenbrücke, die längste Hängebrücke Schwedens, welche ihren Namen von dem Küstengebiet Höga Kusten hat. Das Gebiet in der Provinz Västernorrlands ist Weltkulturerbe und hat die höchste Küstenlinie der Welt, seitdem sie sich nach der Eiszeit 285m gehoben hat. Wir wandern auf den Gipfel, auf welcher Höhe früher das Meer gegrenzt hat. Nun sieht man nur noch Überreste in Form von Seen.

Auf dem Weg dorthin kommen wir an einem Baumhaus vorbei, welches von Studenten entworfen wurde und als eine von 9 Schutzhüten im Nationalpark dient. Man kann in ihnen vor schlechtem Wetter Schutz suchen und auch darin übernachten. Das haben wir heute aber nicht vor…

Kurz danach machen wir unseren bisher größten Pilzfund. Mindestens 1kg Pfifferlinge, aus denen es schon leckeres Rührei, Pilz-Pasta und heute eine Zwiebel-Pilz-Soße zu Rind vom Grill gibt.

 

Wir befinden uns gerade in Piteå südlich von Luleå an einem See, in dem Flo gleich noch ein Eisbad nehmen will und wir dann den Grill anheizen. Nachdem wir im August gesehen haben, dass sich die Bäume langsam bunt färben, ist der Herbst jetzt auf jeden Fall voll da und zeigt sich in voller Pracht.

In den nächsten Tagen nehmen wir Kurs Richtung Westen, wieder zurück nach Norwegen, auf die Lofoten. Es heißt: nochmal warm einpacken - denn über Norwegen ziehen schon die Schneefelder.

Wer bis hierher gelesen hat - tapfer, der Newsletter ist dieses Mal recht lang geworden… Eine kleine Challenge an die Aufmerksamkeitsspanne ;-)

Wir freuen uns von euch zu hören, wie es euch geht, und schicken euch dicke Umarmungen!

Eure Louisa & Florian